Koerber Studio I Foto: Krafft Angerer
Da bin ich aber ganz schön gespannt! Nach einem sehr diversen Festivalprogramm, die gewinnende Inszenierung noch nicht bekannt gegeben, gibt es nun vor den beiden letzten Inszenierungen und der öffentlichen Jurysitzung eine Podiumsdiskussion zum Thema: Was ist Regie heute?
Endlich etwas geschlafen, endlich in Ruhe gefrühstückt, meine Großmutter die für den Blog geschrieben hat zum Bahnhof gebracht und sehr gespannt auf das grande finale.
Zu mir: Konstantin Buchholz, 29 Jahre alt, Schauspieler und Regisseur, zur Zeit Student der Performance Studies der Universität Hamburg, Absolvent der Schauspielschule HfS Erst-Busch, Jahrgang 2013. Das ist erwähnenswert, da die Teilnehmerinnen der Diskussionsrunde alle Hochschulleiterinnen sind, bis auf die Moderatorin Emilia Heinrich, Dramaturgin am Thalia Theater. Außerdem spielt meine ehemalige Hochschule im Gespräch eine kleine Rolle.
Die Podiumsdiskussion:
Auf der Bühne der Garage in der Gaußstr. stellt Emilia Heinrich folgende Personen vor: Links Prof. Elisabeth Schweeger (Geschäftsführerin / Künstlerische Leiterin der Akademie für Darstellende Kunst Baden Württemberg in Ludwigsburg), mittig Prof. Sabina Dhein (Direktorin Theaterakademie und Vizepräsidentin der Hochschule für Musik und Theater Hamburg) und rechts Prof. Amélie Niermeyer (Abteilungsleiterin Thomas Bernhard Institut, Mozarteum Salzburg).
Natürlich sitzen viele Studierende im Publikum, aber es hätte sicher nicht geschadet eine studierende Regisseurin und eine junge praktizierende Regisseurin zur Diskussion einzuladen. Es gab noch Platz.
Zu Anfang beschreiben die drei Professorinnen nacheinander die Praxis an ihren Hochschulen und Instituten: Prof. Schweeger spricht von der interdisziplinären Praxis in Ludwigsburg, Prof. Niermeyer von dem neuen Studiengang Applied Theater in Salzburg und Prof. Dhein beschreibt die Praxis der Theaterakademie als eine offene und „raumöffnende“.
Prof. Niermeyer sagt der Geniebegriff sei überholt, aber wie findet man zu neuen Begrifflichkeiten? Praxis und Theorie stehen sich da manchmal gegenüber.
Prof. Schweeger schließt an, dass sich die Ausbildung an die Realität des Theaters anlehnt. Kann die Hochschule Sprechunterricht streichen, kann sie Handwerk streichen zu Gunsten einer offeneren Arbeit? Manche Schauspielende wollen einfach spielen, sagt sie.
Prof. Dhein wirft ein, dass kollektives Arbeiten nicht vom Himmel fällt, da sind starke kommunikative Kompetenzen gefragt. Ein Regieteam ist ja auch nicht immer ein Kollektiv.
Emilia Heinrich wird gefragt ob es nicht am Thalia Theater auch so sei, dass nicht viele Kollektive eine Position im Spielplan bekommen. Ja, sagt sie, aber das Thalia sei ja auch ein Stadttheater. Ein Raunen und dann fassungsloses Lachen im Zuschauerraum. Heinrich rudert, wirft nach, dass Stadttheater ja auch hinterherhinken. Dann wird Diskutiert, das Stadttheater auch nicht können wie sie wollen, Ensembletheater und Kollektive nicht immer gut zusammen funktionieren (Doppelpass lässt grüßen), die deutsche Theaterlandschaft ein großes Privileg ist, dass es zu erhalten gilt und der deutsche Bühnenverein schon garkeine Zukunft mehr sieht.
Das Publikumsgespräch:
Soweit zur Ausbildung um die es im Gespräch auch vorrangig geht.
Dann wendet sich das Gespräch den Regiebegriff zu. Und auf mehrere Arten gerät das Gespräch etwas ins Taumeln.
Prof. Niermeyer sagt, sie wisse ja auch nicht wie man eine ganz genaue Arbeitsbeschreibung geben soll aus der man eine Ausbildungsvorgabe ableiten könne. Das ist erstmal gut. Sie beneidet die Ernst- Busch Dozierenden, weil die immer so eine genaue Vorstellung haben und sagen, sie wissen genau wie es geht. Zuerst nehme ich das als Seitenhieb gegen Kolleg*innen wahr, die behaupten sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen, aber später taucht diese Erwähnung der Ernst-Busch so häufig wieder auf, dass es fast den Eindruck macht, Prof. Niermeyer würde viel lieber in Berlin unterrichten. Zusätzlich erwähnt sie, dass Dozierende der HfS Ernst Busch auch als Gäste in Salzburg unterrichten. Das Konzept von Verunsicherung und Befragung ist doch ein Gutes, warum diese Verehrung der Entschlossenen?
Eine Steilvorlage für Prof. Schweeger: Sie sieht das ganz anders, sie ist schon 65, deshalb kann Sie das alles (das hat sie wirklich genau so gesagt). Es geht darum Stärke zu entwickeln und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie lässt auch nicht viele Gelegenheiten aus diese Stärke im folgenden Gespräch zu demonstrieren, unterbricht gerne, tuschelt während andere Reden und antwortet auf die Forderung eines Studierenden nach einer Fokussierung auf Kommunikationsfähigkeiten und Formen des Zusammenarbeitens mit einem knackigen: „Aha!“. Eine studierende der HfMT Hamburg wirft ein, dass es ihr nicht so vorkommt, als würden diese Kompetenzen in der Schauspielausbildung sehr ernst genommen. Prof. Schweeger kanzelt sie ab, woraufhin Frau Prof. Dhein einwendet, dass die Schauspielausbildung an der HfMT zur Zeit in einer besonderen Situation sei, die aber nur noch zwei Jahre andauere.
Den Einwand von Lisa Wagner, einer Studierenden der HfMT, welche die Aufnahmeprüfungen in Ludwigsburg vor zwei Jahren absolviert hat, dass am Eignungswochenende für Regie die Arbeit und Kommunikationsfähigkeit mit Spieler*innen und Performer*innen nicht in besonderen Maße erprobt wurde, verneint Sie als nicht zutreffend, mir scheint weil sie glaubt, die Studierende habe sich für Schauspiel beworben.
Es stellt sich allmählich der Eindruck ein, dass Prof. Schweeger die kommunikativen Kompetenzen, die es für Regieführende zu erlernen gilt, eher im Kampfsport als in Reflektion, einander ausreden lassen und zuhören sieht.
Antonia Rehfueß, Studierende der Szenischen Künste in Hildesheim wirft ein, dass sie sich von der Adressierung von Regieführenden in der Diskussion nicht angesprochen fühlt, darauf meint Prof. Niermeyer, dass Gießen und Hildesheim da ja vielleicht auch schon weiter ist.
Es kommen sehr klare und interessante Forderungen und Reflexionen von den Studierenden im Publikum. Die Hochschulleiterinnen rücken etwas in die Defensive, vieles wird ja schon angedacht und gemacht, sagen sie.
Das Abschlusswort hat eine Studierende: Teilweise haben Sie strukturen benannt, die wir schon geändert haben.
Es haben sich Postionen ergeben: Hier die Studierenden, dort die Professorinnen, hier das Stadttheater mit seiner starren Struktur, dort die Hochschulen mit, die sich vielleicht weiterentwickeln wollen, aber ihre Studierenden in das bestehende System vermitteln möchten.
Hochschule und Stadttheater schieben sich im besten Fall die Schuld zu, in schlechteren Fällen sind beide an einer Weiterentwicklung überhaupt nicht interessiert. Die Kommunikation zwischen studierenden und Hochschulleitung scheitert oft, auch im Studiengang Performance Studies der Universität Hamburg.
Wo ist die Hochschule die gemeinsam gestaltet und entwickelt wird? Die Konzepte für einen nachhaltige, nicht zwingend vereinzelnde Arbeitsperspektive für ihre Studierenden entwickeln kann?
Alle sind sich einig: Eine andere Schnelligkeit ist gefragt. Warum also nicht gleich nächstes Jahr anfangen?
Das Körber Studio 2020 könnte die Chance ergreifen und ein Forum werden für genau diesen Austausch, für Forderungen, Entwicklungsprozesse und konkrete Zusagen und Ziele, die dann 2021 ausgewertet werden können. Was könnte aufregender sein? Liebes Körber Studio, liebe Festivalleitung, Liebes Thalia Theater: Es ist Zeit für Wagemut!
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