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Das Leben ist halt nicht so einfach – DREI SCHWESTERN

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Koerber Studio Junge Regie 2019; Studiobühne; Foto: Krafft Angerer

Zum*r Autor*in : Ich bin Grosch, ich bin 26 Jahre alt und ich mache Theater Theater Theater, auch hin und wieder an der HfMT Hamburg. Verkatert kuschel ich mich heute in eine der letzten Reihen. Ich habe einen Faible für Tschechow, aber nicht unbedingt in diesem Zustand. Ich habe sehr wenig geschlafen und sehr viel gearbeitet, verkatert. Direkt vor dem Einlass hatte ich ein etwas zugespitztes Gespräch mit einer Person meiner Hochschulleitung.

Am Anfang war das Konfetti. Statt unausgesprochener Schwere wird hier eine leichtfüßige Melancholie auf den Tisch gepackt. Oder eher auf das Karussell.

Auf der Bühne immer drei:
1x Karussell, 1x leuchtendes Schild „Winner“ und 1x 3 Kinosessel.
1x Nostalgie, 1x Sehnsucht und 1x Stagnation.
Und 3x Schwester gefangen in der Stagnation zwischen den Polen Nostalgie und Sehnsucht.
Unter der Zuschauertribüne versteckt sich der böse große Bruder (Nikola Dragosavac) am Klavier, meldet sich aber nur via Rachmaninow zu „Wort“.

Schon in den ersten Szenen riecht es förmlich nach Sommer und Erdbeerfeld. Die erwartete tschechowsche Trägheit wird durch Spielfreude, Musik und angenehm viel Fremdtext ersetzt. Im Original sprechen eigentlich nur die Männer. Es gibt neun Seiten Text der Schwestern, die es immerhin in den Titel geschafft haben. Hier aber sind ausschließlich die Schwestern zu sehen und sie reden viel. Milena und Team haben diese neun Seiten benutzt, die Lücken mit Hilfe von eigenem Text und Texten von Thomas Brasch fast unbemerkbar gemacht.

Mascha (Anna Seeberger), Olga (Iman Tekle) und Irina (Jonathan Stolze) geben einen amüsanten Einblick in die Geschwisterliebe, aber auch in den Geschwisterhass. Sie necken sich, bis der Spaß aufhört. Die Sprünge sind schnell und manchmal kaum zu erfassen. Diese Sprunghaftigkeit steht den massiven Zeitsprüngen des Originals trotzig entgegen. Das Ensemble fordert sich immer wieder neu heraus. Beispielsweise muss auf einem Bein gestanden werden, wenn der Doktor klopft, einfach so. Weil es Spaß macht. Genau dieses unbeschwerte, charmante Spiel baut einen Kosmos auf, in dem man sich freuen kann, aber auch eben unter dieser Freude ebenso leidet.

Es ist Geburtstag und Todestag zugleich. Man darf sich was wünschen, aber angesichts des Todes, soll es doch bitte wichtig und lebensverändernd sein. So brechen sie unter Druck auf, die Sehnsüchte: Schule, Liebe, Moskau. Oder anders ausgedruckt: Arbeit, Geheimnis, Glück. Das soll es sein, das soll es werden. Aber warum machen sie dann nicht? Das Leben ist halt nicht so einfach. Leider werden die Stagnation und die Zerrissenheit kaum existentiell auf der Bühne, der Text transportiert allerdings viel. „Das Leben macht solchen Spaß, auch wenn es völlig daneben geht“, spricht Mascha als generelle Aussage mit einem gelogenem Lächeln zum Publkium. Das Leben ist halt nicht so einfach. Vor allem mit der Angst im Nacken. Immer wieder die Angst vor der Einsamkeit, die Angst vor dem alt werden.

Mir hängen noch Joachim Lux‘ Worte zum Festivalbeginn im Kopf: „Jugend ist kein Verdienst, sondern ein Zustand.“… (das hat er gesagt, ohne lachen zu müssen!)
Doch wenn Irina singt „ Dein Ideal, deine Erwartungen sind Mittel nur zum Zweck . Ich bin zu jung.“ kann ich nun endlich verstehen, weshalb mich Lux‘ Worte so abstoßen. Jugend ist ein Kampf nicht alt zu werden. Jugend ist der Verdienst, aus dem was man mal gewollt hat, zu lernen. Der Verdienst, das Lernen nicht aufzuhören statt sich im Leisten von Rechenschaft zu verfransen.
Alt sein ist ein Zustand, der nur durch den Verdienst der Jugend verlassen werden kann.
Das Leben ist halt nicht so einfach.

Die Drei Schwestern aus Salzburg zelebrieren ihre Jugend, zerbrechen an ihr und wagen den Schritt in ein radikal neues Ende. Mascha macht sich auf die Suche nach einem Neuanfang, Irina geht endlich – unbemerkt (nach Moskau?) und Olga schubst das Karussell noch ein letztes mal an. Es dreht sich auch ohne Mitfahrer. Die drei Schwestern machen sich selbstständig.

In ihren Konflikten bleibt die Inszenierung zwar ein wenig immanent, fühlt sich zum Ende aber doch wie ein Befreiungsschlag an.

Ja… Das Leben ist halt nicht so einfach.

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