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Dazu kommen mir 18 Dinge in den Sinn. – „Listen“ von der Uni Hildesheim

Koerber Studio Junge Regie 2019 Foto: Krafft Angerer

„Die Schule ist ein seltsamer Ort, an dem nicht nur Wissen, sondern auch Subjekte formatiert werden“ sagt mir das Programmheft noch schnell, bevor die Diskokugel zu Kitschmusik beginnt, ihre glitzernden Runden zu drehen. Parallel dazu formiert sich die erdachte Schule auf der Bühne, bestehend aus vier rollbaren weiß-sterilen Schulpulten nebst schwarzen Stühlen, dazu die vier Schüler*innen, oder Performer*innen, die vorgeben, Schüler*innen zu sein oder eben jene, die eine Schulsituation zu kreieren gedenken.

Taft, das Theaterkollektiv aus Hildesheim (bestehend aus Thilo Grawe, Friederike Hänsel, Anne Küper und Antonia Rehfueß), entwickelt laut Programmheft „Spielstrukturen, die soziale und ästhetische Situationen zwischen Improvisation und Erzählung, Fiktion und Biografie organisieren.“
Das machen die vier nun anhand der titelgebenden Listen. Fragen werden gestellt und möglichst gut strukturierte Antworten gesucht. Das erinnert mitunter hübsch an den klassischen Frontalunterricht nach dem Frage-Antwort-Prinzip und lässt an mechanisches Auswendiglernen denken. Über allgemeine Schulbeschreibungsfragen wandern die Themen mal zu persönlichen Dingen, mal zu bildungstheoretischen, dann zu Chancengleichheits- und Hierarchiedingen und später zu den typischen Schulfreizeitsdingen:
„Thilo, wie würdest du unsere Schule beschreiben?“
„Anne, welche AGs gibt es an unserer Schule?“
„Sieben Dinge, die du über Toni weißt, aber sonst niemand im Raum.“
„Acht Arten, mit einer Person umzugehen, wenn du in sie hineingerannt/-rollt bist“
„Drei Philosoph*innen, die nicht weiße Cis-Männer sind.“
Geantwortet wird meist mit Auflistungen: „Hierauf kann ich mit vier Möglichkeiten antworten.“, „Dazu kommen mir 18 Dinge in den Sinn.“, „Ich werde dir fünf Gründe aufzählen.“
Stück für Stück konstruieren die Performer*innen so ein kleines Schuluniversum mit Verbündeten, Freundschaften, Konkurrenzdruck, Neugier und anderen Zwischenmenschlichkeiten; mit Events wie dem berühmten Kuchenbasar, der Schulsprecherwahl, kleinen und großen Schüler*innenträumen und versteckter oder offensichtlicher Kritik. Stück für Stück wird auch erkennbar, dass die vier sich gegenseitig auflaufen lassen, dass sie die anderen vorführen und versuchen, selbst im möglichst besten Licht dazustehen. Subtil geht das vonstatten und teilweise gemein, wie Menschen eben sein können, vielleicht aber auch einfach nur akribisch, auf der Suche nach der Wahrheit: Wenn eine Person von der großen Liebe erzählt, will eine andere wissen, was denn Liebe genau für sie bedeute; wird über Momente gesprochen, in denen „es um was ging“, dann folgt die genaue Nachfrage: „Wie viele Momente hattest du, in denen es um was ging und um was ging es da genau?“

Das ist es leider auch, was ich mich beim Zuschauen frage: Um was genau soll es hier gehen? Ist es die Spielanordnung selbst? Die ist sehr charmant, mit ihren leicht choreografierten Fragerunden, den fernbedienungsgesteuerten Licht- und Szenenwechseln und den vier sehr authentischen Performer*innen, bei denen ich mich in jedem Moment frage, ob sie eigentlich gerade privat agieren oder doch spielen. Bei denen ich mich auch frage, wie oft sie eigentlich improvisieren und wie oft ihr Text gesetzt ist. Bei denen ich mich frage, welche Regeln genau sie hier in ihrem Stück befolgen. Das ist schon spannend und oft sehr lustig. Dennoch ist zumindest mir eine geglückte Spielanordnung noch zu wenig – zumal beim großen, wichtigen und spannenden Thema Schuluniversum, diesem großkleinen Mikrokosmos, in dem die großen Menschen von morgen geformt werden und von dem doch so wenig nach außen dringt.

So bleibt das Stück für mich das, was das Programmheft womöglich auch verspricht: Eine Annäherung an etwas. Das zu schärfen und zu konkretisieren hätte sich gelohnt.



Zur Autorin dieser Besprechung
Name: Franziska Jakobi
Alter: 28
Beruf: So vieles. Aktuell hauptberuflich Studentin der Performance Studies an der Uni Hamburg
Sitzplatz: Oberer goldener Schnitt links.
Verfassung beim Schauen des Stückes: Übernächtigt, aber aufmerksam.
Vorwissen über das Stück: Irgendwas über Schule, aus Hildesheim. Ergo nicht das klassische Schauspieltheater und ein bisschen experimenteller. Ich schäme mich für meine schlechte Vorbereitung.
Produktplatzierung im eigenen Interesse: www.franzjakk.com

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