Koerber Studio Junge Regie 2019 Foto: Krafft Angerer
„Heil Hitler – Heil Hitler…“ leidend und voller Furcht schallen die Wort durch den Raum, während zeitgleich am vorderen Bühnenrand drei nach Größe sortierte Musiker, wobei einer kniete, fröhlich mit Gitarre und Geigen ein Lied singen.
Ich bin Theresa, beinahe 20 und studier(t)e Mathematik in Berlin. Mit dem Ende meines Selbstversuches Regie zu führen, wechselte ich den Wohnsitz und den Studiengang, zog zu einer Regiestudentin und studiere bald etwas nicht ganz so Trockenes.
Also frisch in Hamburg und gleich an die Bühne – erste Reihe, sechster Stuhl von rechts.
„Terror und Teethgrinding“ – Ein ungarischer Regisseur, der sich an ein deutsches Stück wagt, super interessant, dachte ich. Bertolt Brecht und Nazi-Deutschland. Schon sank meine gerade gewonnene Begeisterung. Für mich eine Thematik, die sowohl für Deutsche als auch für nicht Deutsche Kunstschaffende sehr schwer ist, da ich oft mit Übertreibungen ins Lächerliche, Psychopathisch/Gewalttätigem oder Dokumentarischen rechne, aber es immer auf das selbe Ergebnis hinausläuft. „Die bösen Deutschen bei denen sich nichts geändert hat.“
Als ich dann aber auf das Bühnenbild blickte, wurde ich sofort in den Bann gezogen: Türen und Schränke übereinander, nebeneinander und überall wo man nur hinguckte – Überwachung. Links ein Tisch mit Sessel, in der Mitte ebenso ein Tisch mit zwei Stühlen, hinten links ein Raum in etwa 2m Höhe, hinten mittig eine Holztür, daneben ein nicht dazu passender Holzschrank gefolgt von einem mit Perlen besetztem Schnur-Türvorhang, eine Küche, ein Schrank noch eine Tür und wieder ein Schrank, der gleichzeitig auch ein Bühnenaufgang war.
Auftritt der Schauspieler. Lichtwechsel. Stimmungswechsel. Ich habe kein Wort verstanden, saß zu Anfang da und probierte den Übersetzungen zu folgen was ich aufgrund der Schnelligkeit schnell aufgab und mich darauf einließ alles über Mimik und Gestik zu verstehen. Was mir, denke ich, gut gelungen ist.
Lediglich in den wahnsinnig witzigen Musikszenen wechselte mein Blick wieder zu den Übersetzungen. Jede Musikszene war ein kleiner Bruch, obwohl man gerade noch voller negativer Gefühle war, war die Musik so absurd, dass man wieder lachen musste trotz des unangenehmen Beigeschmackes der Szene zuvor.
Zwei Einblicke:
1. Der Jurist, welcher mehr und mehr verwirrt ist von den ganzen Anschuldigungen, nacheinander auftretenden Mitbürgern und keinen eigenen politischen Standpunkt hat und in der Verzweiflung, dass niemand ihm sagt, was er jetzt tun soll unter dem Tisch liegend ein „Klassik-Konzert“ dirigiert, woraufhin drei Schauspieler an den Tisch kommen und dies singen.
2. Eine Reporterin, die das Leiden der Menschen offensichtlich ignoriert und jeden negativen Punkt falsch darstellt. Mit ihrem Abgang fängt das Volk an einen Song zu singen mit Rap und einem Beatboxer.
Dass ich den Text nicht verstehen konnte ist sicherlich schade, aber umso mehr konnte ich die grandiose Leistung der Schauspieler wertschätzen. Mehrfachbesetzungen, welche so fein ausgespielt sind, dass man nicht mal ansatzweise darüber nachdenken muss ob das jetzt neun einzelne Bilder sind oder ein ganzes großes Stück mit unklaren Zusammenhängen und fehlendem roten Faden.
Das es neun Bilder waren, wurde untermalt von Kostümen. In einem Bild hatte jeder etwas Rotes an, im nächsten etwas weißes, mal verlumpt und dann eher elegant. Nur ein einziges Detail verwirrt mich immer noch – die gelbe Cap.
Im Gespräch mit anderen Zuschauern wurde mir die politische Lage in Ungarn genannt und plötzlich änderte sich der ganze Blickwinkel auf das Stück – kein „die bösen Deutschen bei denen sich nichts geändert hat“ – ganz im Gegenteil, die Kritik an dem eigenen Land.
Umso schöner war es im Publikumsgespräch zu erfahren, dass die Reaktionen auf das Stück in Ungarn gar nicht mal so unterschiedlich waren, nur eine Stelle mit wesentlichem Unterschied ist ein Witz über das Buch „Mein Kampf“, während in Ungarn darüber gelacht wird, wirkte das deutsche Publikum sehr geschockt.
Mit sehr gemischten Gefühlen ging ich raus und diese blieben auch, aber in der Gesamtbetrachtung war das Stück, glaube ich, unterhaltsam und lustig. Von Minute zu Minute immer besser werdend hätte ich mir noch weitere neun Bilder angucken können. Auch wenn ich leider nur noch auf acht von neun Bildern komme. Ein großes Lob und ein fettes Danke an Márk Tárnoki für ein Stück der anderen Art über Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus.