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Messy Underground Empire

Foto: © Körber-Stiftung / Krafft Angerer

Underground Empire, angekündigt als remake eines remakes eines remakes von David Lynchs Inland Empire spielt, wie ebenfalls angekündigt, mit den Kunstformen Theater und Film. Das Ensemble begibt sich auf die Suche nach Zwischenräumen und Zwischenwelten.

Noch einmal zu mir, ich heiße Konstantin Buchholz, bin 29 Jahre alt, Schauspieler, Regisseur und im Leitungsteam vom Theaterensemble Wheels. Ich saß in der vorletzten Reihe auf dem dritten Platz von Links. Ich kam aus der Abschlusspräsentation eines Workshops für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, den ich für vier Tage an angeleitet hatte. Das ging dann von 10-18.30 durch und nach einer etwas stressigen Fahrradfahrt waren wir, Anne-Katrin, Reflektor Nr.2, und ich endlich in der Gaußstr. angekommen.

Die Bühne sieht aus wie „hinter den Kulissen“: Rückseiten von Stellwänden für Theater- oder Filmkulisse, ein Mikrophon. Links ein Kaffeetisch+ Kaffeekanne und anderes Kaffeegepkänkel, ein langer Tisch aus Theaterpodesten inklusive Stühle, ein mit Rosa Stoff verhülltes etwas. Rechts eine Kamera auf einem Stativ.

Zuerst kommt eine Person in weißem Hasenkostüm aus den Kulissen gelaufen. Auf die Rückwand einer Kulisse wird das Video einer Person mit Pinker Perücke, blassrosa Pullover, Rock mit Schottenmuster und Clownsmaske projiziert, die in Stilettos durch eine Stadt stakst.

Währenddessen ist unruhe im Publikum. Eine Schauspielerin hat sich eingeschlichen, trinkt Aperol Spritz und unterhält sich zu laut um zum eingeübten Körber Publikum zu gehören und glücklicherweise auch zu leise um in die Falle einer „Hallo ich bin eure Schauspielende Person, die eine zuschauende Person darstellen soll“ Situation zu tappen.

Irgendwann steht die Schauspielerin im Publikum auf, läuft von der Tribüne zum Tisch auf der Bühne, das Publikumslicht geht aus und die Bühnensituation wird endgültig eröffnet. Die Inszenierung von Mathias Hannus spielt mit Bildern, Handlungen, Text und außergewöhnlicher Spielweise, mit Wiederholungen, Überschneidungen und Irritationen. Es spielen ein Hase, drei Schauspieler*innen, zwei Regisseure, einer davon der tatsächliche Regisseur, der einmal mit seinem alter Ego, der Inszenierten Regiefigur auf Video hinter den Kulissen beim Knutschen erwischt wird und später als er selbst von der Tonregie auf die Bühne trampelt. Zusätzlich tauchen die Nachbarin in Clownsmaske, Perücke und Stilettos, eine Band und ein angedeuteter Pinocchio-Zauberkünstler mit Riesennase, der immer die Wahrheit sagt und das auf Italienisch und Englisch, auf.

Habe ich eine Figur vergessen? Wahrscheinlich, es passiert so viel gleichzeitig, viel wird angedeutet und unterbrochen. Live Videoaufnahmen die sich innerhalb der Kulisse in einer Art Wohnzimmer abspielen werden dabei gemischt mit Videoaufnahmen und live Auftritten.

Der Text wirkt wie eine Kollage, es finden Wiederholungen von Gedankenexperimenten statt, Monologe am Rand des Wahnsinns und Dialoge zwischen einem probendem Filmteam.

Die Inszenierung ist messy, ich benutze das englische Wort, weil „Unordnung“ nicht zutrifft. Die Aufführung hat eine sehr starke Ordnung und spielt mit Unschärfe und Ungenauigkeit, in der Spielweise, Textbearbeitung, im Rhythmus und in der Nutzung der Mittel. Dadurch entsteht eine Form, die sich Zugriff und Zuschreibung durch konservative Sehgewohnheiten in manchen Momenten verweigert und das ist wirklich interessant gemacht.

Es entsteht eine Atmosphäre, die durchaus eine beeindruckende Wirkung entfaltet. Ich wünsche mir zum Ende eine völlige Dekonstruktion der Inszenierung und Zerstörung der Bühne. Aber so ein Höhepunkt wird bis auf das Einreißen einer Papierwand nicht geliefert. Es würde höchstwahrscheinlich gegen das Konzept gehen,
das Zwischenräume und keine Höhepunkte schaffen will.

Das bei all dem Aufwand und den sehr interessanten Ideen für mich kein besonders interessanter Theaterabend herauskommt ist schade.

Das liegt u.A. daran, dass die Inszenierungsideen die Spielenden Elvio Yair Avila, Samuel Braun, Mathias Hannus, Jasmin Kiranoglu, David Martinez Morente, Janna Rottmann, Mira Wickert, Nico-Alexander Wilhelm zum Teil erschlagen und nicht unterstützen. Dies mag in der installativen Originalversion, durch die Nähe zu den Spielenden und eine längere Spieldauer, anders sein. In dieser Form hätte es eine durchgehende Präsenz und Durchsetzung der Spielenden gebraucht um der Regie, die ihr alter Ego im Gang neben der Garderobe knutscht, ihren Platz zuzuweisen, ein Platz im Ensemble eines Gesamtkunstwerks. In den strahlenden Momenten der Aufführung findet das statt. Aber diese kommen mir leider nicht häufig genug vor.

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