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wir sind „Peer Gynt“

Koerber Studio Junge Regie 2019 Foto: Krafft Angerer

Körberstudio Junge Regie

nach Henrik Ibsen / Text & Regie Felix Krakau

Donnerstag, der 13. Juni 2019

Kurz zu meiner Person:

Ich bin Anne, 51 Jahre alt, Mutter von zwei gelungenen Mittzwanzigern,

arbeite als selbstständige Traderin und bin von Berufung Mentor und Unterstützer. Bevor ich mich heute auf den Weg gemacht habe, hatte ich einen vollgestopften Alltag und bin den ganzen Tag über in Eile gewesen und so im Tiefflug auch im Theater angekommen, wo ich Rahmen des junge Regie-Festivals von der Mitte der vierten Reihe „Peer Gynt“ anschauen wollte.

Peer Gynt… schwerer klassischer Stoff, Drama, Edwards Griegs „Morgenstimmung“ und „in der Halle des Bergkönigs“ zum Sonntagsfrühstück in meiner Kindheit… das waren so meine ersten Gedanken und Verknüpfungen die ich mit in dieses Stück gebracht habe. 

Aber anstatt, dass das Licht ausging und wir uns der Bühne zuwandten, waren wir plötzlich mittendrin: die jugendlichen Darsteller des Düsseldorfer Schauspielhauses standen mittendrin im Publikum und haben von Anfang an klar gemacht worum es hier ging… nicht um die anderen sondern um uns alle, dich und mich. Wir waren nicht Zuschauer sondern Beteiligte. Auf zeitgemäße Weise, im Jargon der heutigen Zeit gemischt mit Zitaten aus dem Originaltext wurde uns Peer Gynts Geschichte wie unsere eigene präsentiert. Die Suche nach dem Platz in der Welt, zwischen den Freunden, der Familie oder in der Arbeitswelt, geprägt durch Erlebnisse in der Kindheit und dem sozialen Umfeld – das erging nicht nur Peer Gynt so, sondern das spiegelten auch die jungen Darsteller charmant und überzeugend wieder. Immer wieder sprach Peer in den von Ibsen gewählten Worten, um dann denselben Satz in der heutigen Sprache weiter zu führen.

Die Geschichte der einzelnen Darsteller verschmolz immer wieder mit Peers Figur, ohne dabei aber die eigentliche Erzählung aus den Augen zu verlieren. Jeder der jungen Leute schlüpfte in die Rolle des Protagonisten, was es dem Betrachter leicht machte, den Bogen zu sich selbst zu spannen: auch ich könnte dort stehen und ein Stückchen Peer sein. Bin ich frei von der Erwartungshaltung meines Umfeldes? Und wenn ich das nicht sein kann, kann ich es sein, wenn ich es erlüge? Will ich so sein, wie die anderen mich wollen? Damit ich ins Gefüge passe und meine Rolle spielen kann? Obwohl ich gar nicht so bin? Bin ich ehrlich zu mir selbst? Höre ich auf meine Gefühle? Meine eigenen Bedürfnisse? Was brauche ich? Wann bin ich fertig mich zu entwickeln? Bin ich je fertig? Von der Bühne sagte der Chor „Wir sind ein Versprechen und wollen auch eines bleiben“ und „ich bin nur angedeutet“ erzeugte bei mir Gänsehaut.  

Auch die heutigen Generationen haben noch nicht ausgelernt und müssen sich bewegen – im Kopf und im Handeln. Um uns frei zu machen von überlieferten Bildern, Erwartungshaltungen anderer, von dem „MAN muss“ und „MAN sollte“ und „das darf MAN nicht“… denn WER bitte ist nochmal dieser MAN? 

Die Erzählung zeigt: wenn wir uns alle viel persönlicher betrachten würden und respektvoller mit uns umgehen würden (auch oder grade mit uns selbst- nicht nur mit den anderen um uns herum) dann würden wir es doch noch schaffen diese Welt für uns zu einem glücklicheren Ort zu machen. Zumindest unsere eigene Welt direkt vor unserer eigenen Haustür.

Und da müssen wir alle bei uns selbst anfangen. Wir müssen zuerst an uns selbst glauben.

Dann ist alles möglich.

…alles ist möglich, sogar überzeugt im Stimmbruch „Creep“ zu singen, Tom Cruise zu sein und die Liebe zu finden. Man / wir müssen nur zu uns stehen und entsprechend handeln.

Dies Thema der Selbstfindung und eigenen Wertschätzung ist heute aktueller denn je und damit ist Peer Gynt leichtfüßig im 21Jh angekommen, mit kleinen lustigen Momenten versehen ohne dabei unpassend zu wirken. Im Gegenteil, sie haben den Optimismus in das Spiel gebracht, das Drama noch besser ins Hier und Jetzt adaptiert und in unsere Zeit geholt.

Diese großartige junge Inszenierung zeigt, dass der dramatische Stoff zeitgemäß „rübergebracht“ werden kann: „YOLO“, eben!

…ich auch. =)

Ein Gedanke zu „wir sind „Peer Gynt““

  1. Danke für die Beschreibung, du hast mir nochmal interessante Fragen, die sich mit den „Ich und alle Anderen“ Momenten stellen können eingegeben.

    Auch großes Lob and die tollen Bilder, die inszeniert wurden, die genauigkeit des Chors, der Choreographie und and die Schauspieler*innen, die uns durch den Abend getragen haben.

    Eine Frage stellt sich mir aber noch : Wie genau wurde der Text entwickelt? Im Programmheft steht, dass er vom Regisseur stammt. In einem Stück indem mir Personen ihr eigenes Ich präsentieren oder danach suchen würde mich interessieren, wer genau in der Texterstellung diese Aussagen trifft.

    Ich persönlich hätte die Ebene des Jugendclubs gar nicht gebraucht, die Suche nach den eigenen Ichs wäre vielleicht in einem weniger bekannten Kontext noch viel spannender gewesen. Es ist ja kein Jugenclub-Stück. Es wurde viel mit der Idee „nur ein Jugendclub“ auf ironische weise gespielt. Ich finde ein Protest gegen die Zuschreibung „nur ein Jugenclub“ hätte sich besser getragen wenn Sie ohne das Thema zu erwähnen einfach alle an die Wand gespielt hätten und das wäre auf jeden Fall drin gewesen.

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